Mittwoch, 13. August 2008

Spielen, spielen, spielen...

Eigentlich wollte ich erst wieder posten, um zu sagen, dass ich die Diss abgegeben habe. Aber es gibt Dinge, die kann ich nicht einfach so an mir vorbei ziehen lassen. Deswegen hier noch ein Beitrag zum Thema Abhängigkeit, das Kapitel, das ich momentan fertig korriegiere.

Ursprung war die gestrige Sendung auf ARD: "Spielen, spielen, spielen ... wenn der Computer süchtig macht", die ich leider nicht sehen konnte. Sie entfachte eine Diskussion auf der Spielkultur-Liste, an der ich mich beteiligen musste (Antwort auf den Beitrag von Tobias Kopka):

"Ich habe die Sendung gestern abend nicht sehen können, überarbeite aber gerade das letzte Kapitel meiner Diss (Thema: "Warum leben, wenn man stattdessen spielen kann", über die Motivation für digitale Spiele), eben das über die Abhängigkeit von digitalen Spielen.

Ich denke, eine Vielspielerphase kann sich am Ende der Pubertät deshalb ergeben, weil eine große Diskrepanz besteht zwischen den (körperlichen) Fähigkeiten der Jugendlichen und ihre Möglichkeiten in der Gesellschaft, diese auszuleben. Vor wenigen Jahrhunderten waren 16-Jährige schon Erwachsene, die einen wichtigen Beitrag für das Überleben leisteten. 14-Jährige haben geheiratet und Kinder bekommen - heutzutage ist das eine Katastrophe. Heutzutage werden Jungendliche in dieser Lebensphase noch halb als Kinder behandelt. Ihnen wird nichts zugetraut, sie dürfen nichts. Das schafft eine große Unzufriedenheit, vermute ich, die mit digitalen Spielen überbrückt werden kann. Dort sind alle Möglichkeiten offen. Wenn sie 18 sind, Auto fahren dürfen, durch die Volljährigkeit unabhängiger von den Eltern werden, gibt sich das wieder.
Aber eben nicht bei allen.
Bei den älteren, die daueron sind, gibt es vermutlich viele Erklärungen. Es reicht, dass jemand nur 5 min früher als man selber schon on kommt und 5 min später geht, um das Gefühl zu erwecken, er sei ständig da. Es gibt also ein subjektives Empfinden, was nicht unbedingt mit der Wirklichkeit zusammenhängt.
Ich denke aber schon, dass es auch Menschen gibt, die tatsächlich fast pausenlos online sind. Einige davon werden arbeitslos sein (man darf nicht vergessen, dass Arbeitslose im Spiel einfach Dinge erreichen und Leistung bringen können, was sie ja in ihrem normalen Leben kaum können - oder wenn doch, hat es für die große Mehrheit keine Sichtbarkeit. Als Beispiel: ein Arbeitsloser engagiert sich ehrenamtlich in seinem lokalen Tierheim. Du oder ich würden das nie mitkriegen. Wenn er aber pausenlos im Spiel on ist und da etwas erreicht, dann sehen wir das).
Ich befürchte, es kann relativ leicht passieren, dass gerade solche Menschen, die mit unserer Gesellschaftsform nicht gut zurechtkommen - weil sie die Leistungen, die gerade aktuell sind (z.B. intellektuelle oder kreative Leistungen), nicht so gut erbringen können, bspw. - eine andere Form suchen. Manche werden Punks, z.B. Andere spielen professionell Fußball. Andere engagieren sich ehrenamtlich. Andere werden Gildenleiter. (Ja, ich sehe zwischen dem ehrenamtlichen Engagement und dem Vielspielen große Ähnlichkeiten der Form oder der Motivation - wenn auch nicht der Ergebnisse!)
Der Mensch hat Bedürfnisse. Und wenn er diese in seinem normalen Leben nicht befriedigen kann, wird er sich etwas suchen, womit er's eben kann.

"Abhängigkeit" bedeutet ja erstmal nur, dass man von etwas abhängig ist. Ich bin z.B. vom Zug abhängig, um zur Arbeit zu kommen, weil ich kein Auto habe. Ich bin abhängig von einem Regenschirm, wenn es regnet, um nicht nass zu werden. Ich bin abhängig von Klamotten, um mich vor der Kälte zu schützen. Eine Abhängigkeit kann somit als eine etablierte Lösung für ein Problem gesehen werden. Wenn ich Erfolge brauche, spiele ich eben. Oder wenn ich Freunde brauche, die ich im wirklichen Leben, aus welchen Gründen auch immer, nicht habe, logge ich mich ein.
Wenn ich anfinge, einen Regenschirm zu tragen, obwohl es nicht regnete, würden mich die Leute wohl für verrückt erklären. Aber Klamotten trägt man auch dann, wenn es nicht kalt ist - weil es sich gesellschaftlich so etabliert hat. Es ist also immer auch eine Frage des gesellschaftlichen Blicks auf etwas. Fast jeder erwachsene Mensch ist von seiner Arbeit abhängig, um sich zu ernähren und eine Wohnung leisten zu können. Dies wird aber gesellschaftlich gefördert, und stellt kein krankhaftes Verhalten dar. Die Gesellschaft sagt also irgendwo auch, was sie als krankhaft ansieht und was nicht.
Diese "etablierten Lösungen" sollten eigentlich immer nur ein Mittel zum Zweck darstellen. Wenn das Mittel zum Eigenzweck wird (wenn ich also anfinge, den ganzen Tag im Zug zu sitzen, ohne irgendwohin fahren zu wollen), kann es problematisch werden. Sozusagen, wenn die ursprüngliche Funktion unwichtig ist, und die Handlung um ihrer selbst Willen weitergeführt wird (die Korrumpierung von ursprünglich sinnvollen Verhaltensweisen).

Die Fragen, die mich durch meine Untersuchung leiteten, und die auch hinter der Abhängigkeit stehen, sind m.E.: "Was gibt das Spiel einem, was das wirkliche Leben einem nicht gibt? Welches Bedürfnis kann ich beim Spiel besser / leichter / effektiver befriedigen als im wirklichen Leben? Welche Bedürfnisse kann ich in meinem wirklichen Leben überhaupt nicht mehr befriedigen?"
(Antworten folgen hoffentlich in Kürze, wenn ich DAS DING durch habe! ;) ).

Herzliche Grüße
Monica"

Das ist nur noch ein weiterer Gedanke zum Thema Abhängigkeit. Ich weiß, es ist die verkehrte Zeit zum Nachdenken (ich schreibe jetzt nichts mehr um, ich gebe einfach nur ab!!!), aber mir kam die Tage noch ein Gedanke, den ich weiterentwickeln möchte: dass der Mensch genauso süchtig wird nach digitalen Spielen, wie er nicht aufhören kann, zu essen. Mehr dazu bei Gelegenheit!