Samstag, 8. März 2008

Nach dem Clash...


... ist vor dem Clash. Die Clash of Realities wird auch wieder in 2010 zum 3. Mal stattfinden.
Erstmal das Offensichtliche: was für eine gigantische Organisation. Geld zu haben ist doch etwas Wunderbares. Die Technik war perfekt, die Dekoration auffallend gut gemacht, die Hostessen freundlich. Das war so eine Tagung, wie Wissenschaftler sie eher selten kriegen. Und EA war zwar bei der Infrastruktur topbeteiligt, aber bei der Tagung selber sehr im Hintergrund. Vom Inhalt her war es eine wissenschaftliche Tagung ohne Sponsor, fand ich wirklich bewundernswert!

Hier mal ein Bild von Winfried Kaminski auf der Bühne (ich saß in der hintersten Reihe):

Meine Highlights: natürlich das Networking, an aller erster Stelle. Habe ein Paar Leute persönlich kennengelernt (mit denen ich schon lange emaile, chatte oder blogge), andere, von denen ich noch gar nicht wusste, dass es sie gibt, und habe natürlich auch viele Bekannte wiedergetroffen. Schade dabei war nur, dass ich an der Abendveranstaltung nicht teilnehmen konnte, da ich in Wuppertal bei meiner Kusine Jenni war.
Zu den einzelnen Vorträgen:

Claus Pias von der Uni Wien referierte über epidemiologische Berechnungen, die anhand der "corrupted blood"-Seuche, die im September 2005 (nach einem Patch) die Azeroth-Welt erschütterte, durchgeführt werden.
Ob diese Berechnungen Sinn machen oder nicht sei mal dahin gestellt, allein schon deshalb, weil manche Spieler, die ansteckend waren, von ihrer Gruppe am Leben erhalten wurden (durch Healing), um möglichst viele andere anzustecken (siehe auch videos auf Youtube). Ich meine, es hat zwar eine makabre Ähnlichkeit zu Bemühen der heutigen Medizin, auch ansteckende Menschen möglichst lange am Leben zu erhalten, aber die Wenigsten versuchen wirklich aktiv andere zu infizieren (anders als im Spiel). Aber die Idee, Menschen zu Simulation von Menschen zu nehmen, fand ich doch durchaus anziehend.
Die Virtualität und die Realität vermischen sich auch im Bereich der Simulationen zunehmend, was man z.B. bei Amazon sehr gut erkennen kann.

Maria von Salisch
, Autorin von den KUHL-Studien trug ebenfalls Anregendes vor. Sie ging auf die Ergebnisse von KUHL 1 und 2 ein, und stellte auch noch die von KUHL 3 vor.
Sie geht nach der Huhn-und-Ei-Frage vor: was war zuerst da, Aggressivität oder aggressive Spiele? Wirkt sich also die Aggressivität auf die Spielauswahl oder aber die Spielart auf die Aggressivität aus? Von ihr und ihren 2 Doktorandinnen stammt auch das Buch "Computerspiele mit und ohne Gewalt: Auswahl und Wirkung bei Kindern".
Es gibt Faktoren, die die spätere Aggressivität von Kindern vorhersagen kann, bei Jungen insbesondere das "Family Monitoring" (also wie sehr die Eltern kontrollieren was die Kinder machen, korreliert negativ, also umso weniger Kontrolle, desto aggressiver) und die Herausforderungssuche, während bei Mädchen die Persönlichkeit die zentrale Rolle einzunehmen schien.

Elisabeth Hayes (Arizona State University) berichtete, wie sie bei Mädchen durch Spiele wie Sims und Second Life das Interesse für Technisches (Programmieren, Inhalte erstellen) wecken und sie motivieren können, einen Haufen Zeit darin zu investieren. Dabei blieb für mich die Frage unbeantwortet, ob Männer und Frauen nicht einfach unterschiedliche Bedürfnisse haben, so dass das Programmieren Männern tatsächlich auch leichter fällt (ich denke dabei auch an Weizenbaums zwanghafte Programmierer).

Bert te Wildt und Silvia Kratzer referierten über die Abhängigkeit von Spielen. Beide stellten fest, dass bei Computerspielabhängigen (fast) immer eine andere psychische Störung vorlag, meistens eine Depression oder eine Adjustement disorder. Te Wildt stellte noch eine Staffelung der Abhängigkeiten vor: stoffgebundene, Abhängigkeit von körperlicher Aktivität, stoffungebundene und Abhängigkeit von komplexen Verhaltensweisen.

James Gee spricht von Spielen als Grundlage zum Erlernen von Lösungsmöglichkeiten für komplexe Probleme: die Welt in anderer Form wahrnehmen und überdenken, um neue Handlungsmöglichkeiten zu vermuten / überlegen / ausprobieren.

Am nächsten Tag hatten wir noch einen Doppelvortrag aus Wien (Konstantin Mitgutsch von der Uni und Herbert Rosenstingl von der BuPP).
Der Eine brauchte eine Klassifizierung für Spiele, der Andere versuchte sie durchzuführen. Dazu verwendete Mitgutsch Begriffe der Entwicklungspsychologie, und unterteilte (zumindest theoretisch, eine praktische Umsetzung scheint noch nicht gegeben zu sein) die Spiele in verschiedene Altersgruppen je nach Reifestufe.

Anna Gough-Yates von der Uni London berichtete über die Medienausbildung in Großbritannien und Jörg Müller-Lietzkow machte den Abschluss mit vielen aktuellen Zahlen über das Spielen.

Anschließend ging noch ein Großteil der AG-Games in eine Dönerbude Mittagessen, und die, die nicht bleiben konnten (wie ich) zerstreuten sich wieder in alle Winde.

Auf der Rückfahrt merkte ich schon, wie geschafft ich eigentlich bin, und freue mich, jetzt einige ruhige Tage zu haben, um alles zu verarbeiten...