Sonntag, 22. Juni 2008

Abhängigkeit von digitalen Spielen

Nachdem ich in den letzten Wochen wirklich zu fast gar nichts gekommen bin (u.a. wegen eines 1-wöchigen Urlaubs in Kroatien), bin ich heute mal wirklich fleißig. Ich arbeite bis ca. 16h30, und gehe dann mit Steffen und Fuchur an den See (was bei 33°C im Schatten durchaus vernünftig ist).
Erkenntnisse aus der Abhängigkeit:
Das Kapitel wurde ziemlich lang (48 Seiten), was deshalb nicht verwundert, weil mein Herzblut daran hängt.
Es scheint gesichert zu sein, dass die Anzahl Internet- und Computer(spiel)süchtiger in den letzten Jahren zugenommen hat. Die Diskussion darüber, ob stoffunabhängige Süchte (Verhaltenssüchte) überhaupt mit stoffabhängigen Süchten (z.B. Drogenoder
Alkoholmissbrauch) gleich zu setzen sind, tobt nach wie vor, aber die Bedeutung stoffunabhängiger Süchte wird glaube ich durchaus erkannt. Einige Autoren gehen allerdings davon aus, dass eine stoffunabhängige Sucht immer nur als Symptom einer tieferliegenden psychischen Störung auftreten kann. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich mich dieser Meinung anschließe oder nicht. Fest steht allerdings, dass Menschen, die glücklich sind und ein erfülltes Leben leben, weniger zu Süchten tendieren. Süchte sind ja irgendwo ein Symptom dafür, dass etwas eben NICHT in Ordnung ist *find*.
Nach all den Autoren, die ich gelesen habe, und all den Interviews, die ich durchgeführt habe, habe ich folgende Symptome gefunden, von denen mindestens einige vorhanden sein müssen, um von einer Abhängigkeit zu sprechen:
* starker Wunsch oder überwältigender Drang zu spielen;
* periodisch oder kontinuierlich weilen die Gedanken beim Spiel;
* exzessive Spielintensität;
* Schwierigkeiten, die Spieldauer zu kontrollieren;
* anhaltendes Spielen trotz schädlicher (körperlicher und sozialer) Folgen;
* zunehmende Belastung anderer Lebensbereiche (Familie, Arbeit, soziale Kontakte);
* Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz (Spielschulden, Fehlen geregelten Einkommens, Beschaffungskriminalität und so weiter);
* das Spielen hat Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen;
* Entwicklung einer „Toleranzerhöhung“, z.B. in Form einer anwachsenden Häufigkeit
des Spielens oder ständigen Erhöhung der Spielzeit;
* gelegentlich: körperliche Entzugserscheinungen (z.B. Ängste, Nervosität).
Die Ursachen für die Abhängigkeit werden in vier Kategorien unterteilt: persönliche,
strukturelle, gesellschaftliche Ursachen und Mischformen. Der Mechanismus
scheint aber immer der gleiche zu sein: der Versuch, Bedürfnisse zu befriedigen, die in der wirklichen Welt - aus welchen Gründen auch immer - nicht oder nicht ausreichend gestillt werden.

Für Fortgeschrittene Blogleser:
Die Affiliation findet beim Spielen Befriedigung z.B. in Form von Anerkennung, aber auch in den „Ersatzpartner“, den das Spielen darstellt, und der ständig verfügbar ist. Der Bestimmtheit wird durch die klaren Regeln, durchschaubare und verlässliche Strukturen, sowie durch die Komplexitätsreduzierung und die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, Rechnung getragen.
Die Kompetenz schließlich kann durch spannende Abenteuer und Entdeckungen gestärkt werden, ebenso wie durch die schwierigen Aufgaben, die zu lösen sind, und die Möglichkeit, die eigenen Leistungsbereitschaft auszuleben, Macht und Erfolg zu erleben.
Gerade einsame, freudlose Umgebungen und fehlende Alternativen können Menschen
dazu bringen, mehr und mehr Zeit in digitalen Spielen zu verbringen, und das
eigene Leben vollkommen zu vernachlässigen.
Die Typen nach Bartle - Explorer, Achiever, Socializer und Killer - zeugen von einer
Bedürfnisverteilung, die auch für die Suchtentstehung relevant ist.

Für den krönenden Abschluss möchte ich hier nochmal Csikszentmihalyi zitieren:
Für Csikszentmihalyi (1975) ist die Lösung einfach, wie verhindert werden kann, dass eine Abhängigkeit vom Flow entstehen kann. Der Autor empfiehlt, in vielen verschiedenen Bereichen Fähigkeiten zu entwickeln, so dass Flow in einer Reihe von Umständen erfahren werden kann. Ist eine Möglichkeit nicht verfügbar, kann auf eine andere zugegriffen werden (Csikszentmihalyi, 1975, S. 139).
Wir brauchen also eine Welt, in der es auch außerhalb vom Spiel Flow gibt. So einfach ist das...