Sonntag, 22. März 2009

Meeting Bartle

Ich war ja ganz schön aufgeregt, weil Bartle da sein sollte.
Nach seinem Vortrag über Moralität haben wir zwar einige Worte gewechselt, aber ich habe mich nicht getraut, ihn zu meinem Vortrag einzuladen und zu erzählen, dass ich etwas über seine Typologie zu erzählen gedachte. Aber ich habe die Organisatoren der Konferenz gefragt, wie lange er an der Konferenz teilnehmen würde (bis Samstag) und stellte fest, dass er keinen englischen Vortrag ausließ. Also schloss ich, dass er auch meinen Vortrag sehen würde und beließ es dabei.
Am Freitag mittag dann: der Saal ziemlich voll (ca 80 Leute?), Bartle saß ca. in der 3. Reihe. Die Gruppe wurde (übrigens sehr toll!) von Christoph Klimmt moderiert. Der Vortrag nannte sich "Why playing games is better than living lives", und es ging um Motivation, Emotion und Kognition am Beispiel digitaler Spiele.
Im Grunde stellte ich die Hauptziele der Untersuchung vor (herausfinden, warum Menschen spielen), ging in Kürze auf die qualitative Methode ein und wie ich meine Studie auf diesen Prinzipien aufgebaut habe. Danach ging ich auf die Grundsätze ein: Das Bedürfnis zu spielen (wie die kluge Evolution es hinbekam, dass Menschen und Tiere spielen, dabei Spaß haben, also Kompetenz tanken, ohne zu merken, dass sie sich damit Fähigkeiten aneignen, die für eine unvorhersehbare Zukunft vorbereiten), die PSI-Theorie nach Dörner (1998), insbesondere das Tankmodell.

Von der Tabelle, welche Bedürfniszustände überhaupt möglich sind

(Erklärung: Kompetenz kann nur aufgefüllt sein, wenn die anderen Bedürfnisse alle voll sind. Sobald ein Bedürfnis ins "-" übergeht, sinkt die Kompetenz wegen ihrer Doppelfunktion als Messlatte ebenfalls ab. Die anderen Zustände sind einfach mit "+" und "-" bei den anderen Bedürfnissen durchgewechselt. Daraus ergeben sich - außer dem Zustand, in dem der Mensch bedürfnislos ist - 4 Zustände. Einen gibt es nicht wirklich, weil ein "-" in der Affiliation zu einem "-" in der Kompetenz führt, was wiederum zu einem "-" bei Bestimmtheit führt. Somit bleiben 3 Zustände übrig:

Den 3. Typ habe ich unterteilt - einmal wird das Bedürfnis befriedigt und die Kompetenz gerettet, einmal nicht - und daraus habe ich die Typen von Bartle (1996) - Explorer, Achiever, Socializer, Killer - abgeleitet und ihre Dynamik (wie, warum und unter welchen Umständen gehen die Typen ineinander über) erklärt. Zum Schluss ging ich noch 2 Minuten auf die Abhängigkeit und das exzessive Spielen ein und beantwortete die Frage "Warum spielen besser ist, als das richtige Leben zu leben?" damit, dass in Spielen die menschlichen Bedürfnisse besser befriedigt werden können als im wirklichen Leben.
Hier die vollständige Präsentation (inkl. einiger Charts, die ich wegen der knappen Zeit nicht gezeigt habe):

Ich habe sehr schnell gesprochen (was ich eh tue, ganz besonders, wenn ich aufgeregt bin) und sehr viel gestikuliert und war nach ca. 35 Minuten (vllt. waren's auch 40...) fertig (danke an Michael Mosel für die Bilder!).

Nach der Präsentation, zahlreiche Wortmeldungen: zur Methode (war klar), zum Modell, wofür ich überhaupt empirisch gearbeitet hätte, wenn ich doch nur zwei Theorien miteinander verbinde. Als wir dann kurz davor waren, die Zeit zu überziehen, schloss der Moderator die Fragerunde ab - und ausgerechnet Bartle (der die nächste Wortmeldung gehabt hätte) kam nicht zu Wort. Während der Laptop für die nächste Präsentation umgebaut wurde, kam er zu mir nach vorne. Den genauen Wortlaut weiß ich schon nicht mehr, die einzigen Wörter, die nachklangen waren, wie aufgeregt er darüber war, dass ich einige Löcher seiner Theorie geschlossen hatte. Nach dem nächsten Vortrag wartete er auf mich, und wir unterhielten uns noch eine halbe Stunde weiter. Warum sich die Typen verändern, wie intuitiv seine Theorie für mich und wie intuitiv meine für ihn war. Wie gut die psychologische Erklärung an Dinge anschloss, die er schon dachte, aber nicht erklären konnte. Und wie er zwar eine halbwegs vernünftige Erklärung der Typveränderung in der Zeit erstellt hatte (diese Typologie von 2003, die ich eben nicht verwendete), aber wie ich erklären konnte, wie sich ein Typ innerhalb einer einzigen Spielsitzung verändern konnte.
Ich wusste zwar schon, wie wichtig mir seine Meinung war (ich hatte gar daran gedacht, meine Teilnahme deshalb abzusagen, weil ich so unbegründeten Schiss davor hatte, vorzutragen, während er im Publikum sitzt! :) ), aber ich war so unendlich erleichtert, dass ich nur vor mich hin grinsen konnte. Den ganzen Tag lang! :)
Abends habe ich festgestellt, dass für mich etwas zu Ende gegangen ist. Jetzt kann ich meine Diss abgeben. Jetzt ist sie fertig. Bartle mag mein Modell. Bartle wird das Modell evtl. sogar verwenden. Vllt. zitiert eines Tages er mich!!! Ich bin fertig, mehr brauche ich nicht. Das ist mehr, als ich je geträumt hätte. Ich kann es abschließen. Dass mein Doktorvater das Modell mag, wusste ich schon. Aber ich habe eine Theorie weiterentwickelt. Und der Entwickler dieser Theorie hat es abgesegnet.

Heute war ich dann endlich online und las meinen Google Reader selektiv ab. Darunter, Bartles Blog. Der lohnt sich eh zu lesen, weil Bartle ein sehr lustiger Typ ist, der einen köstlichen Schreibtstil hat. Dann stieß ich auf das hier. Bartle höchstpersönlich bezeichnet meine Präsentation als den Höhepunkt dieser Konferenz. Ich kann gar nicht sagen, was mir das bedeutet. Jedenfalls mehr, als ihm vermutlich je bewusst sein wird.
Jedenfalls stehe ich momentan total neben der Spur und mein Kompetenztank ist gerade zum Bersten gefüllt. Ich werde mich entweder in diesem Zustand weiden oder das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen, ausnutzen, um DAS DING abzuschließen.
Jedenfalls gehts mir heute so richtig, richtig gut.
Es war es wert.